Suchen Sie im Internet nach „unabhängige Finanzberatung“, dann erhalten Sie 2,3 Mio. Treffer. Scheint also kein Problem zu sein, bei finanziellen Fragen eine unabhängige Meinung zu erhalten. Warum gibt es dann so wenige Menschen, die mit Ihrer Finanzberatung zufrieden sind? Warum ist das Internet voll von Geschichten, in denen Menschen sinnfreie Finanzprodukte umgehängt bekommen haben?

Die Antwort ist relativ einfach: Unabhängigkeit ist ein werbewirksamer, aber dehnbarer Begriff und die Suchenden lassen sich zu leicht blenden.

 

Durch drei simple Fragen können Sie den Unabhängigkeitsgrad Ihres/-r Finanzberaters/-in herausfinden:

  • Wer bezahlt Ihre Finanzberatung?
  • Welche Bereiche deckt Ihre Finanzberatung ab?
  • Hat Ihre Finanzberatung einen Produktabschluss zum Ziel?

 

1) Wer bezahlt Ihre Finanzberatung?

Wie unabhängig sind FinanzberaterInnen, die nicht von Ihnen, sondern von der Versicherung bezahlt werden? In jedem Fall werden folgende finanzielle Anreize gesetzt:

  • Produkte müssen vermittelt werden, damit Geld verdient wird
  • Je mehr Produkte vermittelt werden, desto höher der Verdienst
  • Bestimmte Produkte werden besonders gut vergütet (und das nicht, weil die Produkte so gut für Sie sind)

 

D.h. durch die Vergütungsstruktur geht eindeutig ein Anreiz aus, mehr Produkte zu verkaufen und teurere Produkte zu verkaufen. Ein paar Beispiele:

  • Eine bestehende Versicherung hätte erhöht werden können, lieber wurde noch eine Neue abgeschlossen, denn dafür gab es wieder Abschlussprovisionen.
  • Bestehende Verträge werden schlechtgeredet, damit wieder Potenzial für Neuabschlüsse da ist.
  • Menschen kurz vor der Verbeamtung (mit einer entsprechenden Aussicht auf eine höhere Pension) wird noch ein Riester umgehängt.

 

2) Welche Bereiche deckt Ihre Finanzberatung ab?

In Deutschland benötigen FinanzberaterInnen für jeden Produktbereich eine separate Erlaubnis. Z.B. eine Erlaubnis für Versicherungen und eine Erlaubnis für Finanzanlagen (z.B. Investmentfonds oder ETFs). Wie unabhängig können FinanzberaterInnen sein, wenn diese nur zu einem Bereich beraten dürfen? Sie werden zwangsläufig nur über Produktlösungen sprechen, für die die Erlaubnis vorliegt.

Hier ebenfalls ein paar Beispiele:

  • Der Onkel möchte für die Nichte bis zum 18. Lebensjahr etwas auf die Seite legen. Eigentlich schwebt ihm ein Investmentsparplan vor, aber er bekommt eine Rentenversicherung empfohlen, die bis zum Renteneintritt der Nichte läuft.
  • Jemand möchte steuerlich gefördert Altersvorsorge betreiben, wird aber zu Fondssparen umgelenkt.

 

3) Hat Ihre Finanzberatung einen Produktabschluss zum Ziel?

Diese Frage ist wahrscheinlich die Schwierigste und viele von Ihnen werden spontan fragen: „Ja was denn sonst?“. Die Konsequenz aus dieser Überlegung erschließt sich auf den zweiten Blick. Nehmen wir an, der Finanzberater hat eine bestimmte Menge von Finanzprodukten (z.B. 20 Gesellschaften mit jeweils 3 Tarifen) in seinem Bauchladen. Wenn das Ziel der Finanzberatung ein Produktabschluss ist, dann muss dieser Produktabschluss für Sie wertvoll erscheinen, da das ja die Hauptleistung Ihrer Finanzberatung ist. D.h. der Finanzberater hat einen Anreiz Ihnen „seine Finanzprodukte“ besonders wertvoll erscheinen zu lassen. Ist das ein Problem? Natürlich! Sie sprechen gar nicht über die Möglichkeiten, die Ihnen außerhalb seines Bauchladens zur Verfügung stehen. Möglichkeiten, für die Sie den Finanzberater gar nicht bräuchten.

Hier ebenfalls ein paar Beispiele:

  • Einem Kunden wird eine provisionsfreie fondsgebundene Rentenversicherung vermittelt, jedoch werden damit sinnvolle Investitionen in seine Selbstständigkeit verhindert.
  • Einem Kunden wird ein steuerlich gefördertes Rentenprodukt ohne Abschlussprovision vermittelt. Aufgrund seiner Situation ist die gesetzliche Rentenversicherung eine mindestens gleichwertige Alternative. Diese wird aber nicht angesprochen oder kaputt gerechnet.
  • Der Kunde wird zum Abschluss von Finanzprodukten motiviert, obwohl er jeden Euro als Rücklage gebrauchen kann, um seine Verhandlungsposition bei Erbstreitigkeiten zu verbessern.

 

Aus meiner Sicht ergeben sich aus diesen Überlegungen drei unmittelbare Handlungsempfehlungen:

  • Bezahlen Sie Ihre Finanzberatung selbst und stellen Sie sicher, dass es kein anderer macht.
  • Wenn Sie sich nicht 100% sicher sind, welche Art von Finanzprodukt für Ihre persönliche Situation geeignet ist, dann suchen Sie nach einer Finanzberatung, die möglichst viele Bereiche abdeckt.
  • Wenn Sie noch nicht 100% sicher sind, dass Sie eines der im Raum stehenden Finanzprodukte benötigen, dann lassen Sie sich ein Angebot machen, in dem nur die Beratung eingeschlossen ist und der Produktabschluss optional und separat ausgewiesen wird.

 

Die folgende „Unabhängigkeits-Treppe“ fasst einfach zusammen, wie Sie den Unabhängigkeitsgrad Ihres Gegenübers in der Finanzberatung einschätzen können:

Unabhaengigkeitstreppe

 

Übrigens: ob FinanzberaterInnen einem gesetzlichen Provisionsannahmeverbot unterliegen (sogenannte "Honorarberater") und welche Bereiche FinanzberaterInnen abdecken, lässt sich sehr leicht herausfinden. Schauen Sie einfach im Impressum und nutzen Sie das Wissen aus diesem Artikel hier.

 

 


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