Wie viel Eigenkapital soll ich bei der Finanzierung einbringen?
Einleitung
Wie viel Eigenkapital soll ich bei meiner Finanzierung einbringen? Diese Frage spielt beim Erwerb einer Immobilie immer eine Rolle. Wenn Sie sich über das "Können" und das "Wollen" im Klaren sind, dann ist die Antwort relativ einfach.
Grundüberlegungen
Teil 1: "Können"
Der erste und einfachere Teil ist das "Können". Hier gehen Sie einfach durch Ihre Vermögenssituation und listen alle verfügbaren Positionen auf:
- Guthaben auf Giro/Tagesgeld
- Guthaben in Sparverträgen (z.B. Bausparverträge, Lebensversicherungen, ...)
- Guthaben im Depot
- ...
Manchmal lohnt auch ein Blick über den Tellerrand hinaus, z.B.:
- Privatdarlehen/Schenkungen in der Familie
- Kapitalbeschaffung über eine schuldenfreie Immobilie
- Beleihung eines Depots
- ...
Teil 2: "Wollen"
Der zweite und schwierigere Teil ist das "Wollen". Hier gehen Sie in zwei Schritten vor:
1. Schritt: Reservierung für wichtigere Dinge
Die Vorstellung alle Mittel aus dem Block "Können" in Ihre Finanzierung zu stecken, fühlt sich vermutlich nicht gut an. Danach wären Sie ja schließlich blank. D.h. Sie reservieren sich Mittel, die Ihnen an anderer Stelle wichtiger sind. Z.B.
- Basisliquidität (~ Notgroschen), wenn Dinge nicht so laufen wie geplant
- Investitionsrücklagen, wenn Sie z.B. noch eine PV-Anlage nachrüsten wollen
- Geplante Investitionen in die eigene Selbstständigkeit
- ...
2. Schritt: Die nüchterne Kalkulation
Sie wissen jetzt, welche Mittel Ihnen theoretisch zur Verfügung stellen und wie viel Sie davon maximal einsetzen wollen. Jetzt hilft Ihnen ein guter Finanzierungsberater und ein Grundverständnis für die Investitionsrechnung. Der Finanzierungsberater soll Ihnen die Konditionen zur Verfügung stellen, unter der Annahme, dass Sie unterschiedlich viel Eigenkapital einbringen. Danach berechnen Sie wie hoch die Investitionsrendite für Ihr zusätzliches Eigenkapital ist und können sich jetzt entscheiden, was Sie machen.
Fragezeichen auf der Stirn? Zugegebenermaßen sind die letzten zwei Schritte nicht ganz so einfach und daher nehmen wir uns die Zeit für ein Zahlenbeispiel.
Ein Zahlenbeispiel
Sie planen eine Immobilie für 500 T€ zu erwerben. Mit Nebenkosten liegt das Objekt bei 542,5 T€. Sie haben theoretisch 400 T€ verfügbar, davon stehen aber 100 T€ gar nicht zur Diskussion, weil Sie diese an anderer Stelle benötigen. Sie fragen bei Ihrem Finanzierungsberater, der aus mehr als einer Bank auswählen können sollte (!) an, wie sich die Konditionen verändern, wenn Sie zwischen 0 und 300 T€ Eigenkapital einbringen. Das Ergebnis könnte wie folgt aussehen:
Die Ergebnisse dürften keinen überraschen. Je mehr Eigenkapital Sie einbringen, desto niedriger ist der Zins. Außer beim letzten Schritt von 60% auf 50%, hier werden Sie bestraft, weil das Darlehen unter 300 T€ fällt (eine von vielen bankinternen Besonderheiten).
Im nächsten Schritt der Berechnung bringen wir die verschiedenen Optionen in eine Investitionsform. D.h. Sie können die beiden Optionen 100% Fremdkapital vs. 90% Fremdkapital auch so interpretieren: "Ich lege heute 50 T€ auf den Tisch. Im Gegenzug verringert sich der Zinssatz, den ich auf das Darlehen in Höhe von 450 T€ bezahlen muss von 3,03% auf 2,76%. Zudem muss ich jeden Monat etwas weniger tilgen, da ich mit einem geringeren Darlehensbetrag starte".
Mit diesen Informationen können Sie das wie eine Investition auffassen. Sie legen heute einen Betrag auf den Tisch und erhalten über die Laufzeit gewisse Einsparungen. Da das alles vertraglich fixiert ist, können Sie die Rendite dieser Investition berechnen.
Das bedeutet, dass Ihre Investition i.H.v. 50 T€ (um von einer 100% Finanzierung zu einer 90% Finanzierung zu kommen) Ihnen eine Investitionsrendite i.H.v. 6,2% bringt. Die ersten 42,5 T€ Eigenkapital bringen Ihnen eine Rendite von 9,0% und die 50 T€, um von 60% auf 50% zu kommen, bringen Ihnen nur noch 2,3% Rendite. Bitte beachten Sie, dass wir hier über Renditen pro Jahr und nach Kosten und Steuern reden!
Sie fragen sich wie das sein kann? Die Antwort ist relativ einfach: Banken können rechnen. Je mehr Eigenkapital Sie einbringen, desto niedriger wird das Risiko für die Bank. Die Bank hat die (gesamte!) Immobilie als Sicherheit. Die ersten Euros Eigenkapital sind für die Bank besonders wertvoll, da dadurch die Sicherheit (Ihre Immobilie) sehr wahrscheinlich mehr wert ist als der Darlehensbetrag. Irgendwann wird das Risiko für die Bank nicht mehr kleiner und daher ist die Bank auch nicht mehr bereit auf ihre Gewinne zu verzichten.
Wenn Sie diese Investitionrenditen vorliegen haben, dann müssen Sie sich nur noch überlegen, ob Ihnen die Investitionsrendite eine ausreichende Belohnung dafür ist, um auf die Mittel an anderer Stelle verzichten zu wollen. Immerhin ist das Geld - einmal als Eigenkapital eingebracht - für Sie nicht mehr im Zugriff.
Fazit
Sind Sie in der angenehmen Situation, dass Sie auf vorhandenes Eigenkapital zugreifen können, dann haben Sie mit den Überlegungen von oben eine sinnvolle Anleitung, um entscheiden zu können, bis zu welchem Grad das Einbringen von zusätzlichem Eigenkapital für Sie sinnvoll ist. Insbesondere die ersten 10-20 % Eigenkapital werden von Seiten der Bank belohnt und bieten Ihnen eine attraktive Investitionsrendite.
Die Überlegungen könnten aber auch ein Anreiz sein, um ein Angebot der (Groß-)Eltern anzunehmen oder um sich von zweifelhaften Altersvorsorgeprodukten zu trennen.
ABER:
Eine Isolierte Betrachtung von Finanzthemen birgt immer die Gefahr, dass Sie das Gesamtbild aus den Augen verlieren. Insbesondere der Erwerb einer Immobilie hat eine so prägende Wirkung auf Ihr Gesamtbild, dass Sie hier aufpassen sollten, sich nicht selbst ins Knie zu schießen. Beispiele gibt es leider genug:
- Sie ordnen alles dem Immobilienprojekt unter und Ihr Vermögen besteht irgendwann nur aus der einen Immobilie (nicht liquide, nicht teilbar, ...)
- Sie sind in der "Schulden-sind-schlecht"-Denkweise gefangen und Ihr Lebensstil wird zunehmend asketisch nur um die Sondertilgungen machen zu können
- Sie gehen Veränderungen aus dem Weg, damit ja die Raten für den Kredit beglichen werden können.
- Sie machen mit der Finanzierung eine neue Flanke in Form von hohen Restschulden auf, die am Ende der Zinsbindung auf Sie zurollen und zu einem Problem werden können.
- Sie lassen sich so verunsichern, dass Sie aus Angst gar nichts mehr machen und damit auch nicht mehr von der Stelle kommen
- ...
Das gesamte Bild im Auge zu behalten und die Finanzen nach dem realen Leben auszurichten, das nennen wir die Entwicklung eines Finanziellen Leitbildes. Was wir da genau machen und wie wir das machen, das besprechen wir am besten persönlich.
Disclaimer
Der Artikel stellt keine Empfehlung für oder gegen eine bestimmte Höhe des Eigenkapitaleinsatzes dar. Insbesondere muss bei Immobilieninvestitionen immer das Gesamtbild berücksichtigt werden. Alle Zahlen stellen eine Momentaufnahme dar und müssen für Ihren Fall angepasst und geprüft werden.